Die klare Linie

Freude am Genuss und Freude an der Inszenierung begleiten Josephine Lützel bei ihrer Arbeit. Die Silberschmiedin gestaltet silbernes Tafelgerät für den Alltag und für den Festtag und gibt Gebrauchsobjekten wie einer Kanne, einem Becher, einem Leuchter eine außergewöhnliche Ausstrahlung.

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»Sie können die Teekanne ruhig in die Hand nehmen«, sagt sie dem Besucher, der die elegante Kanne von allen Seiten betrachtet. Ihre Arbeiten stellen nicht nur Schauobjekte dar. Der Gebrauch steht im Vordergrund. »Kein Mensch schafft sich heute ausschließlich alles in Silber an. Es sind eher Lieblingsstücke oder viel benützte Acessoires, die gefragt sind. Eine passionierte Teetrinkerin möchte eine schöne Kanne, die sie über Jahrzehnte begleitet, ein leidenschaftlicher Koch sucht eine Pfeffermühle, die in der Küche wie auch auf dem Tisch perfekt funktioniert«.
Geboren in Hamburg, aufgewachsen in Düsseldorf, ließ sie sich an der Staatlichen Berufsfachschule für Glas und Schmuck in Kaufbeuren zur Silberschmiedin ausbilden. 1994 eröffnete sie ihre Werkstatt in Winterhausen, direkt am Mainufer. Die alten Balken tragen die Hochwassermarken von Jahrhunderten. Heute ist die Atmosphäre geprägt durch Werkzeuge: Hämmer, Formeisen, nur wenige Maschinen. Modelle aus Papier und Karton fallen ins Auge, sie zeigen einen Entwicklungsschritt zwischen Idee und fertigem Objekt.

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Die Auseinandersetzung mit Form und Proportion steht im Vordergrund von Josephine Lützels Arbeit – immer begleitet von dem Gedanken an die Funktion des Stückes. Von der Idee bis zur handwerklichen Ausführung liegt alles in ihrer Hand, während dem gesamten Arbeitsprozess ist sie offen für Änderungen und Verfeinerungen. So entstehen Objekte, die nicht nur durch ihr Äußeres überzeugen, sondern auch im täglichen Gebrauch durch ihre perfekte Handhabung begeistern. Ihre Formensprache ist schlicht und zeitlos, ihre kostbaren Tafelgeräte schmücken jeden Tisch: Im Alltag, bei besonderen Anlässen und sicher über Generationen hinweg.
»Oft fühle ich mich als Grenzgängerin zwischen angewandter Kunst und freier Kunst. Es gibt Gegenstände, wie Vasen oder Schalen, die ein Arbeiten fast unabhängig von der Funktion zulassen. Hier kann ich eine Form in allen ihren Varianten durchspielen und ausloten.« Auch die zwei Karaffen, die das Mainfränkische Museum Würzburg 2009 angekauft hat, bestechen als Skulptur und Gebrauchsobjekt.

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Öffnungszeiten gibt es nicht in der kleinen Werkstatt in Winterhausen – deshalb ist es besser, telefonisch einen Besuchstermin zu vereinbaren. Der Vertrieb läuft über Ausstellungen und Messen für zeitgenössische angewandte Kunst im In- und Ausland. Außerdem werden ihre Arbeiten in verschiedenen Galerien präsentiert.
Im Sommer aber, wenn die Tür zum Atelier offensteht, um warme Luft in die dicken Gemäuer zu lassen, dann kommen auch Spaziergänger oder Mainradler und schauen gerne, was in der Werkstatt zu sehen ist. So wird das ein oder andere Stück manchmal auch per Fahrrad aus dem Urlaub mit nach Hause genommen.
Josephine Lützel kann stolz sein auf ihre Leistung. Ihre Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bayerischen Staatspreis 2007. Preise spornen an. Die größte Motivation schöpft die Künstlerin jedoch aus ihren gestalterischen und handwerklichen Fertigkeiten. »Vielleicht bin ich Silberschmiedin, weil mir Silber genau den Widerstand entgegen bringt, den ich zum Arbeiten brauche«, sagt sie. Warum auch immer. Das Werk steht am Ende über der Schöpferin.

Text aus: Lebensart genießen – in und um Würzburg